AG Neuronale Schaltkreise und Verhalten
Prof. Dr. Johann Bollmann
Stellen Sie sich vor, Sie nehmen während einer Wanderung die Landschaft in sich auf oder Sie bewegen sich im dichten Verkehr; stellen Sie sich vor, Sie lesen einen Text oder fangen einen Ball. Die unzähligen Möglichkeiten, wie wir unsere Umgebung wahrnehmen und uns in ihr bewegen, hängen entscheidend von unseren Augen ab und davon, wie das Gehirn die eingehenden visuellen Informationen innerhalb von Sekundenbruchteilen interpretiert. Die Augen sind unser Fenster zur Welt. Zu verstehen, wie das Sehen funktioniert, steht seit Jahrhunderten im Mittelpunkt von Hirnforschung.
Wichtige Bausteine des menschlichen Sehsystems sind bei allen Wirbeltierarten wiederzufinden: dazu gehören z. B. die Linse, die ein Bild unserer Umgebung in einer Schicht von lichtempfindlichen Neuronen in der Netzhaut (Retina) des Auges erzeugt; die Retina selbst, die aus einem mehrschichtigen Netz von präzise angeordneten Nervenzellen besteht, in dem das Abbild unserer Sehumgebung in bioelektrische Signale übersetzt wird. Und ebenso mehrere spezielle Gehirnbereiche, die die von den Augen kommenden Signale verarbeiten und interpretieren. Infolgedessen wurde ein wesentlicher Anteil der Erkenntnisse über die Funktionsweise des Sehens durch Forschung an einfacheren Wirbeltiermodellen wie Fischen, Amphibien und Vögeln gewonnen. Dennoch ist das Sehen noch lange nicht verstanden, und die Bemühungen gehen weiter: weltweit wird in neurowissenschaftlichen, oft multidisziplinär aufgestellten Labors intensiv geforscht, um die genauen Mechanismen zu verstehen, die uns die Fähigkeit zu sehen ermöglichen, und um die Ursachen zu ergründen, wenn das Sehvermögen beeinträchtigt oder gestört ist.
In unserem Labor in Freiburg erforschen wir, wie das Sehsystem in die Steuerung von Bewegungsabfolgen und Handlungen eingreift. Wir untersuchen grundlegende neuronale Mechanismen, die es einem Tier ermöglichen, seine sensorische Umgebung schnell zu analysieren, Verhaltensentscheidungen zu treffen und schnelle Abfolgen koordinierter Bewegungsmuster zu erzeugen. Wir verwenden Zebrafische im Larvenstadium als neurobiologisches Modell, da es möglich ist, in ihnen die Struktur und Funktion des visuellen Systems der Wirbeltiere und seine embryonale Entwicklung im intakten Organismus zu untersuchen. Neben im Zebrafischmodell geläufigen genetischen und molekularen Methoden sind unsere wichtigsten Werkzeuge eine besondere Kombination aus funktioneller Fluoreszenzmikroskopie, elektrophysiologischen Ableitungen von einzelnen, genetisch definierten Zellen im intakten Nervensystem und die Analyse der synaptischen Konnektivität mittels dreidimensionaler Volumen-Elektronenmikroskopie.